(Quelle: GE vom 7. April 2017)
In der Ortschaft Oudler regt sich Widerstand gegen den Standort der künftigen Kläranlage. 195 Einwohner haben bei der Gemeinde Burg-Reuland Einspruch gegen das Vorhaben eingelegt. Sie befürchten Geruchsbelästigungen bzw. sogar erhebliche gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung.
„Wir lehnen nicht die Kläranlage an sich ab, ganz im Gegenteil. Es ist ja eine gute Sache, wenn die Abwässer geklärt werden, aber wir lehnen ihren Standort ab. Der ist einfach sehr schlecht gewählt“, findet Jean Van den Bossche, seit vielen Jahren Apotheker im Ort. „Oudler befindet sich in einer Kessellage und die künftige Kläranlage mittendrin. Das erste Wohnhaus wäre keine 100 Meter entfernt und in einem Umkreis von 300 Metern sind mindestens 30 weitere Häuser des Ortszentrums unmittelbar betroffen. Das geht aus unserer Sicht gar nicht.“
Die Kläranlage ist auf den Bedarf von rund 400 Haushalten ausgerichtet.
Mit „uns“ meint Jean Van den Bossche die vielen Mitstreiter, die im Rahmen der jüngst erfolgten öffentlichen Untersuchung zum Bau des Kollektors und des Regenwasserauffangbeckens von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, Einspruch gegen das Vorhaben zu erheben. Dabei ist das Projekt zum Bau einer kollektiven Kläranlage auf dem Gelände „Oben am Mühlenbusch“ in Oudler keinesfalls neu. Es ist bereits seit der Jahrtausendwende im Gespräch und auf seiner Sitzung vom 20. April 2013 hatte der Gemeinderat von Burg-Reuland sein grundsätzliches Einverständnis zu dem Bauvorhaben gegeben.
Zwischenzeitlich hatten die Pläne einige bedeutende Änderungen erfahren. Ursprünglich nur auf die Abwasserklärung der Haushalte von Oudler ausgelegt, soll sie mittlerweile das Schmutzwasser fast aller Haushalte der Ortschaften Oudler und Grüfflingen auffangen. Sie ist auf 1.300 Einwohnergleichwerte ausgerichtet, was in etwa 400 Haushalten entspricht.
Bauherr ist der Gemeindezweckverband für die Abwasserentsorgung (AIDE), mit der technischen Vorplanung der Kanalisation und des Kollektors war das Studienbüro Berg (Eupen) beauftragt worden.
„Das alles stimmt“, hakt Jean Van den Bossche ein, „aber dass sich die Oudler Bevölkerung nicht schon viel früher mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, ist meiner Ansicht nach auf die Tatsache zurückzuführen, dass kaum jemandem wirklich bewusst war, wie nah am Ortszentrum die Kläranlage wirklich gebaut werden soll. Die meisten gingen wohl davon aus, dass sie deutlich weiter talabwärts der Ulf entlang Richtung Burg-Reuland, angesiedelt werden soll, aber das ist offensichtlich nicht der Fall.“ Die meisten Leute aus Oudler, mit denen er gesprochen habe, befürchteten eine Geruchsbelästigung durch die Kläranlage. „Durch die überhöhte Lage des Bahndamms und je nach Windrichtung wird entweder die eine oder die andere Hälfte des Dorfes diesen schlechten Gerüchen ausgesetzt sein.“
Was in seinen Augen aber noch viel schlimmer wiege, seien die gesundheitlichen Risiken, die von einer Kläranlage ausgehen können. Er habe in den letzten Tagen einige wissenschaftliche Studien einsehen können, „die wirklich nichts Gutes verheißen“.
Bakterien, Viren, menschliche und tierische Parasiten seien in hoher Konzentration in, über und neben Kläranlagen zu finden. „Diese Krankheitserreger werden über den Luftweg in die Umgebung getragen und mit dem Wind Hunderte Meter verbreitet und gefährden so die Gesundheit der Umwohnenden.“ Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2016 hatten Anwohner einer Kläranlage häufiger Krankheitssymptomen: wie Magen- und Darmbeschwerden, Atmungsproblemen, Hauterkrankungen, Kopfschmerzen, abnormale Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. „Forscher haben außerdem festgestellt, dass in in Kläranlagen mehr und mehr Antibiotika-resistente Bakterien vorkommen, die eine sehr ernste Bedrohung für die Gesundheit darstellen. „Besonders anfällig gegen solche Erreger sind Kleinkinder, ältere Menschen oder generell Menschen, deren Immunsystem bereits geschwächt ist, zum Beispiel Krebskranke“, führt Jean Van den Bossche aus.
Generell müsse davon ausgegangen werden, dass Kläranlagen, auch wenn sie noch so gut konzipiert seien, eine große Menge Bakterien an die Oberfläche bringen. „Und was ist, wenn diese Bakterien resisent werden?“ Insofern sei es sicher kein Zufall, dass für Kläranlagen in einigen Ländern ein Mindestabstand von 300 Metern zu nächsten wohnlichen Bebauung empfohlen wird. „In Belgien scheint dies aber leider nicht der Fall zu sein.“ Dabei gebe es – auch in Belgien – Beispiele genug, dass es auch anders gehe. „Ich habe sorgfältig recherchiert und mir ist in der näheren Umgebung keine Kläranlage bekannt, die so nah an einem Dorf gebaut wurde. Warum sollte das also nicht auch in Oudler möglich sein?“
Gemeinderat soll vergleichbare Anlage in Augenschein nehmen.
Fakt sei, dass die nun aufkeimende Diskussion vom Tisch sei, wenn die Kläranlage einige hundert Meter weiter entfernt im Ulftal angesiedelt würde. „Natürlich wäre dies mit Mehrkosten verbunden, aber sollte uns das die Volksgesundheit nicht wert sein? Wir reden hier schließlich von einer Belastung, die nicht in erster Linie meine Generation, sondern vielmehr die nachfolgenden Generationen betreffen wird. Dementsprechend weitsichtig sollte die Anlage geplant und ausgerichtet sein.“ Er hoffe jedenfalls inständig, „dass die eingereichten Einsprüche die Projektverantwortlichen zum Umdenken in der Akte Kläranlage Oudler bewegen“.
Darauf angesprochen, erklärte Bürgermeisterin Marion Dhur, dass man die eingegangenen Einsprüche registriert habe. „Der zuständige Dienst wird sie nun auswerten und der zuständigen Behörde AIDE weiterleiten.“ Es stimme, dass die Kläranlage relativ nah an der Ortschaft Oudler gebaut werden solle, „jedoch erscheint eine Verlegung weiter Ulfabwärts als schwierig, weil dieses Gebiet als Überschwemmungszone und als Natura-2000-Gebiet ausgewiesen ist“. Allerdings müsse man auch berücksichtigen, dass Kläranlagen der neuesten Generation technisch weitaus ausgereifter seien als die hierzulande bereits bekannten Modelle. Im Internet kursierende Studien seien daher mit Vorsicht zu genießen. „Man darf schließlich nicht Äpfel mit Birnen verwechseln.“
Daher werde sie dem Gemeinderat vorschlagen, eine vergleichbare Anlage in der Region zu besichtigen, um sich ein konkretes Bild verschaffen zu können. „Zu einem späteren Zeitpunkt können wir gegebenenfalls auch interessierte Bürger zu einem solchen Termin einladen.“
(c) Arno Colaris, Grenzecho